Am Hafen in Funchal wird für eine Mini-Kreuzfahrt nach Porto Santo geworben. Die Umworbenen sieht man dann auf dem Marktplatz in der Vila (Largo de Pelourinho) vor ihrem Tagesgericht (prato de dia) im Restaurant oder unschlüssig, was sie als nächstes tun sollen.
Außerhalb der Saison irren Touristen planlos herum. Die wenigsten leisten sich eine Rundfahrt mit dem Taxi, einige haben ein Fahrrad gemietet – womit man es immerhin bis zur Calheta schafft. Für die Berge der Insel allerdings braucht man neben einer berggängigen Schaltung eine gehörige Portion Kondition. Ob Ihnen das jemand gesagt hat?
In den Hotelburgen genießen All-Inclusiv-Urlauber den Sommer.
Am Strand vor der Anlage sonnt sich nur ein Bruchteil der Gäste. Abends gegen sechs trödeln die Strandspaziergänger zum Abendessen.
Für die einen ist es bei gutem Wetter ein Traumtag am Strand,
für die anderen ein Sommerurlaub in einer komfortablen Anlage.
Schön – und gut.
Aber die Insel „kann“ mehr.
Sie lässt einen abspannen, „herunter kommen“ von der Drehzahl zu Hause.
Um neun grüßen die Leute vom grünen Fahrzeug der Inselreinigung, etwas später kommt der Traktor mit den Säcken vom Strand, der Bäcker klingelt um halb zehn.
Der Flieger von Madeira schwebt herein, bei guten Winden hört man die Vibrationen der Fähre „Lobo Marinho“. Der Ausflugsbus kommt vorbei. Man könnte die Uhr danach stellen.
Wanderer mit Rucksack schaffen den Weg bis zur Calheta.
Ansonsten ist es eher ruhig.
Man macht sich auf den Weg.
Mit dem Fahrrad zur Vila, mit Bus oder Taxi den Berg hinauf. In den Stadtvierteln gibt es kleine Läden und Bars und – ganz wichtig – Verkaufsstellen für Farbe, tinta plastica u.a.
Überall wird gebaut – und hängen Schilder „zu verkaufen“ an den Grundstücksmauern.
Auf den Wanderungen, deren es viele gibt – oft in angenehmer Höhe mit Weitsicht – sieht man die Reste der Terrassierung, die von der Landwirtschaft zeugen, die einst die Seefahrer versorgte.
Wohin man auch immer den Fuß setzt, die Ausblicke sind großartig. Die Orientierung verliert man nie, notfalls kommt man zu Fuß wieder zum Ausgangspunkt zurück.
Eintauchen in eine Welt, wo die Zeit etwas langsamer läuft, wo auch Einheimische Zeit für eine Chinesa im Café finden, wo man geduldig an der Kasse im pingo doce steht. Am Taxi-Stand plaudern die Chauffeure.
„Städtisch“ wird die Insel ab dem Campo de Baixo, der Autoverkehr nimmt zu, Roller und Quads wuseln herum.
Die Fußgängerzone – ja, es gibt eine – verfügt über etliche Bars, eine Bäckerei, ein paar Läden und eine oft stark besuchte Apotheke.
Die Atmosphäre der Insel ist eigen-tümlich. Man erfährt sie im Treiben Lassen. Es gibt Leute, die jährlich für mehrere Wochen im Februar wiederkommen, wenn der Winter die Hotels schließt, wenn das Restaurant „O Calheta“ nicht einmal mehr für einen Absacker am Abend öffnet. Trotzdem fahren ständig Autos dorthin:
Meer gucken – und wieder zurück. Von der Hotelerie bis zur Calheta üben Motorradfahrer das Hoch- und Runterschalten. Fahrradfahrer trainieren, Walker marschieren schon morgens und bis in die Nacht hinein. Nachts leuchten Fischerboote und ab und zu ziehen ein Kreuzfahrtschiff oder ein Frachter vorbei.
Wer reif ist für die Insel, atmet tief durch und genießt.
(c) Georg Werner